Parldigi

Blog, Wikipedia December 9, 2019

Im Rahmen des Parlamentarier*innen-Dinners zum Thema Digitalisierung am Abend vom 9. Dezember bin ich der Frage nachgegangen, wie die digitale Souveränität der Schweiz, und diejenige der Bürgerinnen und Bürger, nachhaltig gestärkt werden kann — und was wir diesbezüglich von Wikipedia lernen können.

Meiner Meinung nach gelingt die Stärkung der digitalen Souveränität nur mit einem offenen Ansatz. Mit einem Internet, Plattformen, Programmen und Algorithmen, die im Interesse von uns Menschen agieren und die die Unabhängigkeit der politischen Meinungsbildung von uns Bürgerinnen und Bürger garantieren.

Diesbezüglich lässt sich die Wikipedia als Inspiration herbeiziehen. Sie ist eine der grössten Erfolgsgeschichten des Internets und nach Google, Youtube und Facebook die am 5. häufigsten besuchte Website der Schweiz. Auch im Zeitalter von Fake News und Desinformation navigiert sie erstaunlich resistent. Warum? Folgende Gründe tragen dazu bei:
Wikipedia ist so “offen und frei” wie ein digitales Projekt nur sein kann: frei lizenziert und auf Open Source Software basiert. Auf Wikipedia herrscht radikale Transparenz und absolute Nachvollziehbarkeit für Nutzer*nnen. Und auch Bots arbeiten mit, aber es ist für alle transparent, was diese Bots wann genau tun. Doch generell setzt die Wikipedia mehrheitlich auf Menschen und einen von Menschen gemachten Redaktionsprozess. Dieser scheint gerade im Umgang mit Desinformation und Fake News erfolgreicher zu sein als die Algorithmen der grossen Social Media Plattformen. Darüber hinaus zeichnet sich die Wikipedia aus durch Kooperation und Kollaboration: das Wissen wird von der Masse “ausgehandelt”. In diesem Zusammenhang hat die online Enzyklopädie sogar ein Denkmal erhalten für das grösste je von der Zivilgesellschaft — von ehrenamtlich tätigen Menschen — erstellte Projekt. Anstelle von Wahrheit setzt die Wikipedia auf “Nachvollziehbarkeit” und, wie bereits erwähnt, absolute Transparenz. Auch die Grundprinzipen sind von der Community erarbeitet worden und seit erster Stunde ist es auf Wikipedia nicht erlaubt, als Individuum mehrere Accounts parallel zu nutzen — während auf Facebook weiterhin hunderte Millionen von unechten Konten aktiv sind. Ausserdem findet auf den Wikimedia Projekten keine Marktkapitalisierung der Nutzerdaten statt und es wird keine Werbung geschaltet: Die Wikipedia und alle Wikimedia Projekte werden durch Spenden finanziert. Somit ist die online Enzyklopädie ein Exot unter den Internet-Giganten.

Daraus abgeleitet stelle ich folgende drei Forderungen, um die digitale Souveränität unserer Landes — sowie auch die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger im digitalen Raum — zu schützen und stärken: 

1) Maximale Transparenz und Offenheit — allem voran sollen mit öffentlichen Geldern finanzierte Inhalte und Daten frei lizenziert und in maschinenlesbarer Form zugänglich gemacht werden. 

2) Richtigstellungen auf Social Media — Wir müssen, unter anderem, Druck ausüben auf Facebook, damit das Unternehmen mit externen, unabhängigen Faktenprüfern zusammenarbeitet und Richtigstellungen für Falschnachrichten und Desinformation veröffentlicht — die ALLE sehen können, die ihnen ausgesetzt waren. 

3) Algorithmen entgiften — Laut Forschung lenkt der YouTube Algorithmus seine (fast 2 Milliarden) Zuschauer*innen zu extremistischen Inhalten. Dies muss sich dringend ändern! 

In diesem Sinne: Setzen wir uns ein — für ein freies, offenes Internet, Social-Media Plattformen, Software und Algorithmen, die uns allen dienen. Ich bin überzeugt: es lohnt sich!

CC-BY-SA 4.0 Muriel Staub

Ausserdem: hier ein Gespräch vom 19. Dezember 2019 — mit Katherine Maher zum Thema Desinformation & Wikipedia.